Evangelische Kirchengemeinde Lüdinghausen
Kreuz aus Granatsplittern wiederentdeckt

Seit einigen Tagen steht auf dem Altar der Ev. Kreuz-Kirche an der Bergstraße 34 in Nordkirchen ein anderes Kreuz als bisher. Verantwortlich ist dafür Ansbert Junk, der neue Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Lüdinghausen, zu der Nordkirchen gehört.
Bei diesem „Granatsplitterkreuz“ handelt es sich wohl um das älteste Kreuz des Gemeindeteils Nordkirchen. Ein Mitglied der Gemeinde fertigte es kurz nach Ende des 2. Weltkrieges an. In der frühen Nachkriegszeit begleitete es alle Gottesdienste in Nordkirchen, die an verschiedenen Orten gefeiert wurden.
Als jetzt Pfarrer Ansbert Junk von der Hausmeisterin der Kreuzkirche auf dieses Kreuz hingewiesen wurde, dachte er spontan: „Dieses Kreuz gehört auf den Altar. Es weist so eindringlich auf die aktuelle Situation in der Welt hin.“ Er führt weiter aus: „Es macht mich traurig, dass die Welt sich immer wieder in Krieg und Zerstörung verliert. Der Krieg in der Ukraine, der Terroranschlag in Israel und die Situation der Menschen in Gaza spiegeln sich in diesem Kreuz.“
Das Kreuz hat für die ganze Kirchengemeinde Lüdinghausen eine besondere Bedeutung: „Ich erlebe dieses Kreuz als eindringliche Aufforderung, für Frieden und Versöhnung in der Gemeinde zu beten und auch aktiv dafür einzutreten, wenn es die Möglichkeit dafür gibt. Das ist für mich die Botschaft des gekreuzigten Christus, der auf diesen Granatsplittern befestigt ist,“ so Junk.
Auf die Frage, wie denn wohl die Gemeinde auf dieses alte und gleichzeitig aktuelle Kreuz reagieren wird, meint die Presbyterin Dagmar van Nek: „Sie wird es gut verstehen, weil in ihm Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einzigartiger Weise zusammengeführt werden. Es bestärkt uns in der Hoffnung, dass Krieg und Gewalt nur durch Versöhnung beendet werden können.“
Die langjährige ehrenamtliche Mitarbeiterin Ursula Schöneberg fand dieses Kreuz in den 1990er Jahren verstaubt und mit Spinnweben versehen auf dem Dachboden der Kreuzkirche. Es bekam einen Platz in einer Vitrine am Ausgang der Kirche, wurde aber dann nicht mehr wirklich wahrgenommen. Sie ist dankbar dafür, dass es bis heute bewahrt wurde. Sie hofft, dass es für die ganze Kirchengemeinde Lüdinghausen trotz seiner Härte zum Hoffnungszeichen wird. Auch das bisher genutzte Kreuz hat mit Kriegserfahrungen zu tun. Es wurde aus der Deichsel eines Handwagens hergestellt, mit dem eine Familie damals geflüchtet war.
Pfarrer i.R. Hans Witt, der sich seit längerem mit der Geschichte der Kirchengemeinde Lüdinghausen beschäftigt, erklärt den historischen Hintergrund für die Entstehung des Kreuzes: „Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden dem Kreis Lüdinghausen 20.000 Vertriebene zugewiesen. Dadurch wuchs die evangelische Gemeinde schlagartig von 800 auf 6.500 Gemeindemitglieder. Die Menschen damals hatten ein großes Bedürfnis nach gottesdienstlichen Feiern. Diese wurden in Olfen im Leohaus und auf Haus Sandfort, in Ottmarsbocholt im katholischen Pfarrsaal und in Nordkirchen, Senden und Seppenrade in Gaststätten und Schulen gefeiert, in Nordkirchen auch in der Kinderheilstätte und im Schloss Nordkirchen. In dem nun wieder aufgestellten Granatsplitterkreuz spiegelten sich für die Menschen damals in eindringlicher Weise ihre traumatischen Kriegs- und Vertreibungserfahrungen wieder. Es half ihnen, Kraft für einen Neuanfang zu finden.“
Diakon Christopher Holtkamp-Umbach, ebenfalls neu im Pastoralteam, arbeitet zurzeit daran, die Botschaft des Granatsplitterkreuzes in konkrete gemeindliche Angebote umzusetzen. Genaue Termine dazu werden bald bekannt gegeben.